Die Welt in den Wolken by Jay Amory

Die Welt in den Wolken by Jay Amory

Autor:Jay Amory [Amory, Jay]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: babylon
veröffentlicht: 2012-06-10T00:00:00+00:00


Im Fahrzeugschuppen

Die Dächer der Fahrzeugschuppen hatten Fenster, und Cassie, die hinter dem Zechengelände auf dem Hügel stand, schlich von einem Verschlag zum anderen und spähte von oben hinein. Die Fenster waren trüb; man hatte sie seit Jahren nicht mehr geputzt. Cassie konnte bestenfalls vage Umrisse erkennen, die Silhouetten einiger Fahrzeugkomponenten, hier die Ecke einer Fahrerkabine, dort die Heckklappe eines Tiefladers. Allmählich verlor sie die Zuversicht und fürchtete, dass ihr Instinkt sie getrogen hatte.

Dann, unverkennbar: Berthas abgerundete Konturen. Der Geschützturm und die Spähkuppeln. Ihr dickes Hinterteil.

Cassie musste einen Triumphschrei unterdrücken.

Sie lief das letzte Stück vom Hügel hinunter und kletterte über eine hohe Umzäunung, die in erster Linie Tiere fernhalten sollte. Dann rannte sie zwanzig Meter über offenes Gelände, versteckte sich hinter dem ersten Fahrzeugschuppen und presste sich an die Wellblechwand.

Ein eigenartiger Geruch lag in der Luft. Sie hatte ihn schon vor einer Weile bemerkt, aber da war er noch nicht so stark gewesen. Jetzt schon. Es roch nach erhitztem, oxidiertem Eisen, und dies hatte nichts damit zu tun, dass sie sich in unmittelbarer Nähe einer Kohlemine aufhielt. Sie wusste, was der Geruch bedeutete.

Da oben in den Wolken braute sich ein Sturm zusammen.

Ein Grund mehr, die Sache schnell zu erledigen.

Sie spähte um die Ecke. Kein Minenarbeiter in Sicht. Sie rannte auf den Verschlag zu, in dem Bertha stand. Es war der zweite von links.

Geschafft!

Atemlos stürmte Cassie durch den Eingang und lehnte sich an eine Werkzeugbank, um erst mal zu verschnaufen. Berthas wuchtiger Rumpf füllte den Schuppen fast vollständig aus. Ihre Flutstrahler schienen sie anzugrinsen.

»Ich freu mich auch, dich zu sehen«, flüsterte Cassie.

Soweit sie sah, bewachte niemand den Düsterspäher. Sie ging einige Schritte auf Bertha zu und überlegte, dass das Schwierigste vorüber wäre und der Rest ein Kinderspiel werden würde. Sie würde sich einfach hinters Steuer setzen, den Motor starten und losfahren. Wenn sie einmal losdonnerte, konnte nichts und niemand sie aufhalten.

»Cass?«

Sie fuhr herum.

»Fletcher.«

Ihr Bruder war hinter Bertha hervorgetreten. Er hielt einen riesigen Schraubenschüssel in den ölverschmierten Händen.

»Was zum Henker hast du hier zu suchen?«, fragte er.

»Ich bin gekommen, um zu holen, was nich hierhergehört«, entgegnete Cassie, »was denn sonst?«

»Du willst Bertha mitnehmen?« Fletcher hob den Schraubenschüssel. »Das kann ich leider nich zulassen, Schwester.«

»Ach nein?« Cassie trat einen weiteren Schritt auf den Düsterspäher zu.

Fletcher stellte sich ihr in den Weg.

»Na los, Fletch«, sagte Cassie und starrte ihm in die Augen. »Mal sehen, aus welchem Holz du geschnitzt bist. Schlag mich nieder. Denn das wirst du schon tun müssen, wenn du mich aufhalten willst. Komm, mach schon, hau mich um.«

»Cassie …«

»Was?«

»Bitte. Verschwinde einfach. Geh nach Hause. Mach’s mir nich so schwer.«

»Schwer? Nenn mir einen Grund, warum ich’s dir leicht machen sollte! Fletch, schau doch, was du und Martin angerichtet habt. Ihr habt Bertha gestohlen und zugelassen, dass euer Vater und euer kleiner Bruder verdroschen wurden – den beiden geht’s gut, danke der Nachfrage. Obwohl sie im Moment nich gerade putzmunter durch die Gegend hüpfen können.«

»Ich hab sie nich …«

»Was? Du hast sie nich persönlich verprügelt? Nein, aber so gut wie. Und du hast mitgeholfen, deine Familie zu entzweien.



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